Wie der Trommler zu seinen Hosen kam – Hinter den Kulissen von Fidelius

Fidelius gibt es nun schon seit 1997 und unser Publikum hat in mehr als 15 Jahren schon viele Gesichter gesehen. Geblieben ist in all der Zeit die Idee ehrliche, authentische Auftritte zu machen. Aber nicht verwechseln: wir machen natürlich keine authentische Musik im historischen Sinn. Es geht darum die Zuschauer mit Musik ihrer Geschichte einen Schritt näher zu bringen und das geht natürlich am besten mit guter Unterhaltung. Wir greifen historische Musik auf, wir bearbeiten sie und oft setzen wir sie neu, denn schließlich soll es auch uns auf der Bühne Spaß machen.

Von Windeln, Schamkapsel und einem Paar Hosen

Woran wir uns aber sehr genau an die Geschichte halten, ist unsere Kleidung. Das Mittelalter umfasst rund 1000 Jahre für wenigstens 2 Jahrhunderte davon haben wir Bekleidung für uns rekonstruiert. Hier entsteht die Ausstattung für unseren Trommler Roberto und wir möchten unsere Hörer gern mit hinter die Kulissen nehmen und daran teilhaben lassen, wie die Ausstattung entsteht.

Man sollte zunächst vielleicht wissen, dass Trommeln in mittelalterlicher Musik vermutlich eher sparsam eingesetzt wurden, weil man beim Tanzen einfach wusste, wann welcher Fuß loszutanzen hatte. Auch ohne Diskobeat. In der Kirche klingt eine Trommel eher zuviel. Wir suchten aber nach einer Rolle, die Roberto auch historisch ausfüllen konnte. So kamen uns die Militärtrommler der spätmittelalterlichen Söldnerheere in den Sinn. Eine – wenn nicht gar DIE Gelegenheit einen bizarr bunten Musiker auszustatten.

So sammelten wir in der Fachliteratur Anregungen und diskutierten z.B. die Frage ob mit oder Ohne Schamkapsel (Hosenlatz).

Roberto wollte eher ungern eine „Windel“ wie Piers und ich tragen.

Diese Unterhose tragen wir ganz offen, um zu zeigen, dass man im Mittelalter nicht einfach eine „Strumpfhose“ anziehen kann und fertig. Jahrhunderte lang trug man das „Paar“ Hosen einzeln. Das heißt jedes Hosenbein für sich an der Unterhose oder dem Wams angenestelt. Zwischen den Beinen sah man also die Unterhose, die sogenannte Bruche. Vor allem als im 14. Jahrhundert die Oberbekleidung bei den Männern so kurz wird, dass der Blick auf die Beinkleider fallen kann. Die Mainzer Chronik beklagt 1367: „…dass die jüngeren Männer so kurze Röcke trugen, dass sie weder die Schamteile noch den Hintern bedeckten. Musste sich jemand bücken, so sah man ihm auf den Hintern. Oh, welch unglaubliche Schande.“

Auch die Kirchen beklagen dies und setzen in den Kleiderordnungen einen „Schamlatz“ oder eben eine Schamkapsel als Verbindung zwischen den einzelnen Beinlingen durch. Was entstand war die erste Hose, die in etwa unserer modernen Vorstellung von Beinkleidern entspricht. Womit die Kirche nicht gerechnet hatte, war der Erfindungsreichtum der Leute, denn in etwa achtzig Jahren wurde aus diesem keuschen Abdecktuch für die Unterwäsche eine phallische Konstruktion, bei der die Verpackung wohl stets mehr versprach als der Inhalt halten konnte.

Halten wir an dieser Stelle fest – bei Fidelius kann man beide Varianten sehen: keusche Schamkapsel und sittenlose Bruche…

Den Teufel an die Wand malen!

Doch zurück zu Roberto. Er ist der Rolle nach also Söldner. Dieser neue Berufsstand der mittelalterlichen Gesellschaft zeichnet sich besonders dadurch aus, in respektloser Weise Farben und Stoffe zu verwenden, die in einer Stadt eher dem Adel, zumindest aber den Patriziern zugestanden hätten. Mehr noch, diese edlen Stoffe wurden mehr oder weniger absichtlich aufgeschlitzt oder abgerissen und mit anderem Stoff ausgestopft oder geflickt. Das Ergebnis muss für die ländlichen Zeitgenossen ein wahrhaft diabolischer Anblick gewesen sein. Im 15. und 16. Jahrhundert vergleicht man diese Aufmachung mit dem Teufel selbst.

Man könnte auch sagen, dass die Söldner so etwas wie die ersten „Punker“ waren. Die liefen mit verfetzten Hosen aus viel zu teuren Stoffen, Waffen und einer riesen Schamkapsel zwischen den Beinen herum. Wer hätte da nicht die Tür zugesperrt!

Heute weiß das natürlich niemand, deshalb hoffen wir Roberto in solcher Kleidung auf die Bühne stellen zu können. Immerhin sieht die Schweizer Garde in Rom ja im Grunde noch „zerlumpter“ aus und jeder hält es nur für eine Art hübsche Narrenkostüm…

Wir besprachen uns mit unserer Gewandmeisterin Simone Hermsen und Sie brachte einen Entwurf zu Papier.

Da hier alle unsere Vorstellungen verwirklicht waren, ging es frisch ans Werk. Roberto wurde vermessen, es wurden Wollstoffe in den richtigen Farben gesucht und dann begann das große Mysterium des Zuschnitts, der Anproben, der Nacharbeitung, des 1000 kleine Wollknöpfe Nähens und Nästelbänder Flechtens und in Naumburg war es dann soweit: Premiäre!

Passt, sitzt, wackelt und hat Luft!

Die Rüstung

Ein Trommler wie aus dem Bilderbuch

Doch was wäre ein Söldner ohne Rüstung? Zumal der Helm auch noch so beschaffen sein muss, dass der geschätzte Herr Kollege hören kann, was die anderen Musiker neben Ihm so spielen. Daher entscheiden wir uns für einen Tellerhelm, wie er häufig von Infanteristen ab dem 14. Jahrhundert getragen wurde, dazu noch einen passenden Eisenkragen – Fertig ist der Militärtrommler Marke Fidelius.